Im Indra in Hamburg begann am 17. August 1960 eine einmalige Reise, die vier junge Briten in die große, weite Musikwelt brachte. 48 Mal traten die Beatles dort auf. Sie wurden von einer schüchternen Band zu der Erfolgstruppe schlechthin.
von Jochen Lambernd
„Where the Beatles played first“: Am Ende der Großen Freiheit auf St. Pauli befindet sich eine Location, die voller Musikgeschichte steckt. Im Indra begann am 17. August 1960 die einzigartige Karriere von ein paar völlig unbekannten jungen Briten – den Beatles. An jenem Tag – ein Mittwoch – standen sie abends auf der Bühne des Musikclubs – damals noch in der Besetzung mit Pete Best und Stuart Sutcliff neben John Lennon, Paul McCartney und George Harrison. Das Quintett war erst einen Tag zuvor in Hamburg angekommen.
Anfangs eine schüchterne Band
Die Beatles sollten neues Publikum in die Clubs von Bruno Koschmider holen.
Es war der erste von insgesamt 48 Auftritten im Indra, bei denen die jungen Männer – sie waren gerade mal 17 bis 20 Jahre alt – die Grundlagen des Showbusiness erlernten und von einer talentierten, aber schüchternen Band zu einer der gefragtesten Gruppen wurden. Bruno Koschmider, Inhaber vom Indra und vom Kaiserkeller, hatte die Idee, Rock ’n‘ Roll auf den Kiez und neues Publikum in seine Clubs zu holen – und die Beatles waren eine von mehreren Bands aus England.
Tänzerinnen und Artisten auf der Bühne
Schon im Laufe der Nachkriegszeit hatte sich das Indra im Nachtleben auf St. Pauli etabliert. Das Programm war sehr durchmischt. So unterhielten zum Beispiel akrobatische Schönheitstänzerinnen, orientalische Degenartisten und Kurt Fischers Tanzkapelle das nach Vergnügen suchende Publikum.
In der NDR-Dokumentation Neonstaub erinnert sich Lotti Strehlow 2023, wie sie in den 1950er-Jahren im Indra gearbeitet hat: „Wir Barfrauen saßen hinter der Bar, grundsätzlich. Wir haben nicht gekellnert, wir waren nur dazu da, den Gast, der vor uns saß, zu unterhalten. […] Die Indra-Bar war ein ganz seriöses Lokal. Es gab keine Nackt-Shows und all diese schmuddeligen Geschichten. Das gab es damals überhaupt noch nicht.“ Es gab allerdings Auftritte wie der „einer Schönheitstänzerin, die sich nach Musik bewegte und sich langsam auszog“, so Lotti Strehlow. Striptease also. „Der Slip blieb ohnehin an, das letzte war dann der BH, aber in dem Moment, wo der fiel, da stand schon jemand hinter ihr und schmiss ihr schnell einen Umhang um, damit man um Himmels willen nicht länger als eine halbe Minute den Busen vielleicht sah.“
Auf der dunklen Seite der Straße gelegen
Das Indra, das als einer der ältesten Hamburger Musikclubs gilt, liegt im nördlichen Teil der Großen Freiheit – damals noch im Dunkeln, denn es gab keine Straßenlaternen. Aus diesem Grund lief der Laden auch nicht besonders gut. „Es war eine Mischung aus Cabaret, Strip- und Liveclub. Es ging oft so lange, bis auch der letzte besoffene Seemann den Club verlassen hatte. Mit Livemusik wollte Koschmider den Laden aufwerten, die Beatles sollten aus dem Indra den neuen Kaiserkeller machen, der deutlich besser lief“, erklärt Stefanie Hempel, Hamburger Musikerin und Beatles-Kennerin, dem NDR bereits vor einigen Jahren.
Beatles sorgen für höhere Taktzahl im Indra
Als die Beatles ihr Debüt im Indra feierten, fand dort weiterhin Striptease statt. Daher war das Publikum zunächst irritiert, denn man wartete auf sich ausziehende junge Frauen. Die Begeisterung für die Liverpooler Band hielt sich sehr in Grenzen. Aber mit den Beatles änderte sich die Taktzahl im Club. Mit welchem Song sie den ersten Konzert-Abend eröffneten, ist nicht bekannt. „Aber man weiß ziemlich genau, was für ein Programm sie damals hatten. Sie haben viele Stücke von Chuck Berry, Little Richard, Gene Vincent oder Carl Perkins gespielt. Und auch Buddy Holly, da konnten sie schön diese Dreistimmigkeiten machen“, führt Expertin Hempel aus.
Vom Kaiserkeller über den Top Ten Club zum Star Club
An der Außenwand des Indra hängt eine Tafel mit Infos zum ersten Beatles-Auftritt 1960.
Später wechselten die Beatles in den Kaiserkeller, wo sie 50 Nächte auftraten. Vom 1. April bis zum 1. Juli 1961 spielten die Liverpooler im Top Ten Club zusammen mit Tony Sheridan. Es wurden insgesamt 92 Nächte. Als der Star Club eröffnete, waren die Beatles dort zu erleben. Drei Male gastierten sie 1962 in der berühmt gewordenen Location: vom 13. April bis 31. Mai, vom 1. bis zum 14. November und vom 18. Dezember bis zum 31. Dezember 1962.
Hausnummer des Indra im Beatles-Song?
Um die Zeit der Beatles im Indra ranken sich viele Legenden. Eine davon ist, dass Paul McCartney für sein „When I’m 64“ die Zahl 64 aus der Hausnummer des Indra entnommen haben soll. Eine andere besagt, dass drei der auf der Beatles Anthology veröffentlichten Aufnahmen im Indra entstanden sein sollen.
Nach der Beatles-Zeit wurde es ruhiger um das Indra. Die goldenen Zeiten waren vorbei. Im Laufe der Jahre wurde einiges ausprobiert. Mal war es ein Jazz-Club, mal eine Country-Kneipe. Zwischenzeitlich verlor die Location sogar ihren angestammten Namen und hieß Blockhütte. 1998 kehrte der Name zurück. Auch das Interieur erinnert bis heute an die Beatles.
Telefunken-Radio als „Sozialleistung“
Seit 2025 ist ein Telefunken-Radio der 50er-Jahre zurück im Indra. Die Beatles hatten es vom damaligen Indra-Boss Bruno Koschmider bekommen, damit sie Nachrichten und Musik aus der englischen Heimat hören konnten. Laut Kiez-Fotograf Günter Zint war das „die einzige Sozialleistung“ des für seinen Geiz bekannten Chefs
„Kultige Aura“ einer historischen Stätte
Wie keine andere Bühne in Deutschland vereint das Indra das Flair der allerersten Beatles-Auftritte mit den Anfängen heutiger Erfolgsbands und zukünftiger Newcomer. Indra Musik Club
Zum Reeperbahnfestival finden auch im Indra Konzerte statt, wie hier 2012.
Die Beatles-Historie schwebt bis heute über dem Indra. Manche sprechen von einer „kultigen Aura“. Als nicht zu großer Live-Club hat die Location immer noch einen guten musikalischen Ruf und sie zieht viele Menschen an. „Musikgeschichte beginnt im Indra“, so die Eigenwerbung. Das Programm ist vielfältig. So finden dort zum Beispiel punkige Live-Konzerte, Auftritte ausgewählter Singer-Songwriter, musikalische Lesungen und Comedy-Abende statt.
2020 war ein großes Festival mit rund 40 Bands geplant, um den 60. Jahrestag des ersten Beatles-Konzerts zu feiern. Doch Corona machte Organisatorin Stefanie Hempel einen Strich durch die Rechnung. So wurde die Jubiläumsshow „Stream & Shout“ im Internet übertragen.
Anlässlich des 65. Jahrestags findet im Indra am 16. und 17. August 2025 das „Beatles Weekend“ statt.
Vorübergehende Schließung wegen Bauarbeiten
Die imposante Stuck-Decke im Indra wurde Ende der 1990er-Jahre restauriert.
Im Laufe der Jahrzehnte hat sich das Indra immer mal wieder verändert. Hier und da wurden Bauarbeiten und Modernisierungen durchgeführt. So wurde etwa Ende der 1990er-Jahre die Stuckdecke restauriert, die von dann in neuem Glanz erstrahlte. Auch aktuell stehen wieder Baumaßnahmen im Indra an. Deshalb ist zum Jahresende vorübergehend Schluss mit Musik und anderen Veranstaltungen. Der Club wird – wie das nebenan liegende Gruenspan – umfangreich saniert und deshalb geschlossen. Das Gruenspan soll laut Finanzbehörde zum Jahresende 2025 schließen und in eine vorübergehende Location an der Lagerstraße ziehen. Fürs Indra gibt es noch keine Infos über eine Ausweichstätte. Für die Bauarbeiten sind ungefähr drei Jahre angesetzt.Knapp 19 Millionen Euro will Hamburg für die Sanierung der beiden historischen Stätten in die Hand nehmen.
Beide Spielstätten sind aus der Hamburger Livebühnenlandschaft nicht wegzudenken. Ich freue mich sehr, diese beiden Ikonen des Kiez‘ bald in neuem Glanz zu sehen. Kultursenator Carsten Brosda